Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was... ja ja, das ist nun wirklich bekannt. Aber dass man überhaupt aufbrechen kann, braucht es entweder Pferd und Kutsche oder doch lieber den Hofreisedienstleister (Gautschi Bus AG) der Gemeinde Muhen. Selbiger, mit Strassenkapitän Kurt Theiler an den Schalthebeln, traf dann mit seinem grossen Gefährt auch pünktlich an den drei Einsteigeorten ein. Und los gings, erstes Ziel Rastatt, bloss unterbrochen vom Wegelagererzoll an der Grenze (deutsche Beförderungssteuer), der zu entrichten war. Kurt wählte wegen Megastaus in Deutschland den Weg übers Waggisland. Dort gab es zwar auch einen kleineren solchen, wegen einer Baustelle - aber weshalb das überhaupt erwähnen, ist ja immer so, also betrachtet es bitte als gestrichen. Beim Restaurant Hopfenschlingel in Rastatt wurde man eher wieder an Ross und Wagen erinnert, eine Riesenbeiz, könnte durchaus einmal der Verpflegung römischer Legionen gedient haben.
Die Portionen wären auch für Legionäre ausreichend gewesen. Anschliessend stante pede weiter nach Frankfurt ins für die meisten von der letzten Reise her bereits bekannte Maritim Hotel.
Das Riesenfrühstücksbuffet am Auffahrtstag im Maritim hat sich auch nicht verändert, nur waren die verschiedenen Speisen geographisch raffiniert verteilt, sodass man beim Zusammensuchen bereits wieder einige Kalorien loswurde. Anschliessend dislozierten wir nach Mainz in die St. Stephanskirche zu einem liturgischen Gottesdienst. Die katholische Kirche stammt eigentlich aus romanischer Zeit. Der heutige Bau weist aber einen gotischen Baustil auf, allerdings ohne die sonst typischen äusseren Strebewerke (Abstützungen) der berühmten Kathedralen.
Das Innere wirkt durch die schlanken Säulen elegant und die berühmten Chagall-Fenster tauchen es in ein bläuliches Licht. Diese Fenster waren Chagalls letztes grosses Werk, das er allerdings nicht selbst fertigstellen konnte.
Aussergewöhnlich ist die Orgel, die sich in ihrer modernen Form gut in die Jahrhunderte alte Architektur einfügt. Die Kirche ist (leider) unglaublich hallig und wenn der Organist einige Register zieht und auf dem Notenblatt fortissimo steht, nimmt man nur noch eine gewaltige Klangwolke war. Schade, dass er das bei der Stück- und Registerwahl nicht berücksichtigt hat. Musikalische Feinheiten sind so schwer zu erkennen und allfällige Fehler hört man kaum mehr, aber das möchte ich dem Organisten ja nicht unterstellen.
Am Nachmittag wurden wir durch zwei Stadtführerinnen geschichtlich und kulturell weitergebildet. Mainz ist nicht nur wie es singt und lacht, sondern eine sehr geschichtsträchtige Stadt. Sie wurde als wichtiges militärisches Römerlager gegründet. Am Rhein und nahe der Mainmündung gelegen, sowie erst noch an der Grenze zu den barbarischen Germanen. Wie viele andere Städte, hatte auch Mainz einen Lokalfürsten (Erzbischof Willigis), der es mit vielen Beziehungen, Tricks und Ränkeschmiedereien zu Ruhm, Ehre und Macht gebracht hat, über den Papst auch international. Er erreichte, dass der alte Mainzer Dom Krönungskirche wurde und da ihm dieser zu klein erschien, musste etwas richtig Grosses her.
Der neue Dom war gross genug, dass alle damaligen Einwohner von Mainz darin Platz gefunden hätten. Dumm nur, dass das Prestigeobjekt am Tag vor der Einweihung abgebrannt ist. Wer war schuld? Ein unglücklicher Handwerker mit dem Winkelschleifer oder am Ende doch Feuerwerk? Das historische Zentrum reiht sich recht kleinräumig um den Dom herum. Auf dem Domplatz steht eine mächtige Sandsteinsäule, an deren Sockel 1975 aussagekräftige Symbole und Figuren angebracht wurden, die wichtige Episoden von der Gründungszeit bis ins 20 Jh. raffiniert darstellen.
Mainz wurde 2 Monate vor dem Ende des 2. Weltkrieges zu 80% zerstört. Offenbar versuchten die britischen Bomberpiloten den Dom zu schonen, denn dieser wies relativ geringe Schäden auf.
Am Freitag war Frankfurt selbst angesagt. Wir starteten mit einer 1,5h-igen geführten Tour mit unserem Bus an der Paulskirche, in der Nähe des Römerbergs, einem nach dem 2. Weltkrieg wieder rekonstruierten Marktplatz und historischem Zentrums Frankfurts.
Die Paulskirche gilt als Wiege der deutschen Demokratie und wurde 1848 kurzerhand zum Parlamentsgebäude umfunktioniert. Leider scheiterte die ganze Übung am Veto des Königs Friedrich Wilhelm IV, der zum Kaiser befördert, aber gleichzeitig auch zum Grüsswilli (konstitutionelle Monarchie) degradiert werden sollte. Frankfurt wurde im 2. Weltkrieg ebenfalls zu 90% zerstört. Daher erstaunt es nicht, dass keine historische Altstadt vorhanden ist. Aus dem Boden geschossen sind hingegen die vielen Hochhäuser von Banken, Versicherungen, Elektronikkonzernen und natürlich der Messeturm, gleich neben unserem Hotel gelegen. Auf knappe 260 m bringen es die höchsten Gebäude. Ein 300 m Turm ist aber bereits in Planung. Sie alle bilden die bekannte Skyline vom europäischen Mini-New York. Der Nachmittag stand zur freien Verfügung, Frankfurt auf eigene Faust zu erkunden. Tipps dazu haben wir auf der Busfahrt genügend erhalten.
Das Nachtessen im Leon d'Oro, einem italienischen Restaurant, wurde von allen (gloub) als positiv eingestuft. Die Meinungen über die anschliessende Cabaretvorstellung in einer alten Fabrikhalle liegen da schon eher etwas auseinander. Daniel Helfrich, in seinem Programm „Ich habe mir gerade noch gefehlt“, spielte sich als eigene Raubkopie selbst (muss man nicht verstehen). Objektiv kann man sagen, in der Darbietung fehlte der rote Faden, es waren auch Nummern aus einem früheren Programm mit dabei. Weiter objektiv gesehen, ein 2h-Programm allein und begeistert durchzuziehen ist sicher eine grosse Leistung. Dabei traktierte Daniel seinen Flügel zwar perfekt, aber martialisch, erhöhte Grausamkeit gegenüber dem armen Instrument könnte ins Feld geführt werden. Subjektiv gingen die Meinungen, von gewisser Originalität, bis grottenschlecht, ziemlich auseinander. Auf alle Fälle wird der Kulturbeauftragte des OK's fristlos entlassen, zumal eine Personalunion mit dem Rezensenten nach OR 131713 Absatz 11 bis 9 terties Teil b, sowieso nicht erlaubt ist.
Am Samstag begaben wir uns nicht aufs Glatteis aber immerhin auf den recht zügig nach Norden strebenden Rhein. Kurt bringt uns frühzeitig nach Rüdesheim, kein Stau oder sonstige Ärgernisse, alles friedlich. Jetzt nur noch den richtigen Steg finden, 1 von 13, und dann kann der Dampfer aufkreuzen.
Von Rüdesheim bis zur Loreley schlängelt sich der Rhein durch eine liebliche Landschaft mit Rebbergen, malerischen und auch trutzigen Burgen, mit teils lustigen Namen wie Katz und Maus. Das Schiff trifft pünktlich ein, also entert den Kahn. Kaum betreten die ersten den grossen Salon, schallt es schon durch den Raum: Tisch 2 bis 9 befielt die Chef-Feldweibeleuse der KD-Schifffahrtsgesellschaft. Zack-zack, deutsche straffe Organisation eben. Auch die Verpflegung funktionierte entsprechend. Die Einfahrt in die S-Kurve der Loreley ist mit einem Signalsystem ausgerüstet, das den Skippern rechtzeitig mitteilt, wann sie den Engpass befahren dürfen. Die langen Transportkähne können da nicht kreuzen.
Unmittelbar nach dem Loreley-Felsen liegt St. Goar, das Ziel der Schifffahrt. Diejenigen, die den Nachmittag gemütlich und auf weniger anstrengende Art verbringen wollten, blieben im schön gelegenen Ort am Rheinufer. Etwas anspruchsvoller wurde es für die Gruppe, die die 2,5 h Wanderung über die Burg Rheinfels und den Höhenweg über dem Rhein unter die Füsse nahmen. Sie wurden durch eine prächtige Aussicht auf den sich durch den Felsen windenden Rhein belohnt.
Die berühmt berüchtigte Blondine mit den langen Haaren und dem betörenden Gesang, hätte sich auch auf einen der Aussichtspunkte setzen können, anstatt auf den Loreley-Felsen, dann wären die Schiffer am flachen Strand von St. Goar gestrandet und der Ort hätte vielleicht früher zum Tourismus gefunden. Zurück nach Frankfurt ging's dann ganz profan in Gautschi AG's Bus.
Nun, da eigentlich alle auch eine Rückfahrt gebucht hatten, galt es am Sonntag recht früh wieder in den Bus einzusteigen und wieder in südlicher Richtung zu reisen. Also nur bis Rouffach im schönen Waggisland (Elsass) in die Brasserie Chez Julien. Ob Cäsar mit seinen Streitwagen bei der Besetzung Galliens da auch schon eingekehrt ist, lässt sich nicht eruieren. Immerhin stehen vor dem Bistro ein Bentley aus den Fünfzigern und ein Peugeot geschätzt aus den Dreissiger Jahren. Ob Bentley oder Streitwagen, die römischen Legionäre wären sicherlich vom vielseitigen und feinen Apéro- und Dessertbuffet ebenfalls angetan gewesen, die auch ohne den Hauptgang ausgereicht hätten. Ganz nach Fahrplan trafen alle wieder wohlbehalten in Muhen ein und haben, gemäss einer Umfrage noch im Bus, auch diese Reise sicherlich sehr genossen.
Eugen Eichenberger