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Gemeindereise 2022 nach Ulm

Einige Reiseteilnehmer stehen mit ihren Rollkoffern bereits beim Sternen in Obermuhen. Da naht von Süden her ein gewaltiges Gefährt, unser Bus? Doppelstöckig, die übertreiben mal wieder, doch, muss ihn wohl sein, mindestens steht Gautschi drauf. Ein Mitglied des OK's wuselt nervös mit einer Liste umher und versucht die bekannten und vor allem auch die unbekannten Gesichter anhand der Excel-Tabelle abzuhaken. Wenn eine Person zu wenig anwesend wäre, ja dann hat er oder sie sich halt verschlafen oder ist sonst unpässlich, aber stellt euch vor, es wäre eine zu viel, die dann unser Chauffeur Kurt irgendwo auf der Autobahn aussetzen müsste! Pfarrer Herbert Krauer begrüsst die Gäste und erläutert den Tagesablauf. Erstes Ziel mittags, das Restaurant Schiffli in Diepoldsau. Dreimal dürft ihr raten was da passieren wird. Die Überquerung des alten Rheins nach Österreich ist für Strassenkapitän Kurt eine leichte Übung. Sicher und gefühlvoll lenkt er sein schweres Gefährt durch Tunnel und über Autobahnen bis nach ..., ihr habt es sicher erraten, Ulm. Zwar noch nicht ganz ins Zentrum, sondern zur ersten kulturellen Bereicherung, dem weltgrössten Friseurmuseum und Schule für alle möglichen speziellen Coiffeurtechniken. 50'000 Exponate sollen da ausgestellt sein. Nun, wir sind nicht alle einzeln durchgegangen, aber der Gründer des Museums war ein versierter Friseurexperte und wusste zu allen eine Geschichte zu erzählen. Von der ersten Haarschere, die man eher als Rasenkantenschere abgetan hätte, über den ersten Rasierapparat zum Aufziehen (funktioniert noch heute), einen monströsen Föhn, bis zum voll ausgestatteten Friseursalon so um 1900 herum, alle waren ihm vertraut, wie wenn er selber noch damit gearbeitet hätte. Kunden und vor allem Lehrlinge lebten bei ihrer Arbeit gefährlich, nämlich dann, wenn der elektrisch (220V) betriebene Lockenwickler zum Einsatz kam und das bei nassen Haaren. Es soll dabei schon Opfer gegeben haben. Anschliessend gings weiter zum Kantonnement, dem Hotel Maritim, einem modernen 16-stöckigen Glaskasten, direkt an der Donau gelegen.

Auffahrtstag:
Das Hotel bot ein riesiges Frühstücksbuffet mit verschiedensten Speisen. Für euch weitgereiste Leser sicher nichts Aussergewöhnliches, nur der Butterautomat ist vielleicht nicht ganz alltäglich. Der Verbindungsschlauch zum Kuheuter war allerdings nicht auszumachen. Ergänzt wurde die „fleischliche“ Nahrung anschliessend im wunderschönen gotischen Ulmer Münster durch solche geistiger Natur. Trotz dem Festtag Auffahrt verloren sich nur recht wenige Gottesdienstbesucher in der riesigen Kirche. Die «Müheler Delegation» war fast die grösste Fraktion, wie der Pfarrer nach deren Begrüssung erwähnte. Die Predigt fusste auf dem Traum Daniels, in dem ihm irgendwelche Horrorviecher erschienen, ganz in Anlehnung an leider reale Ereignisse der Gegenwart. Nach der Bibel würden die Missetäter geächtet und bestraft - schön wärs, hallo, gefälligst keine persönlichen zynischen Bemerkungen. Mit düsteren mächtigen Orgelklängen aus dem grossen Instrument, die das ganze Kirchenschiff erfüllten, die Klänge nämlich, vervollständigte der Organist die Worte aus der Predigt. Der Turm des Ulmer Münster ist der höchste der Welt, (161,53 m) mindestens vorläufig noch, denn in Barcelona wird immer noch an der „Sagrada Familia“ gebaut und dessen Turm soll noch in diesem Jahr eine Höhe von 172,5 m erreichen. Der Bau in Ulm begann bereits im Jahre 1377, wurde aber erst im Jahre 1890 fertiggestellt. Obwohl die Stadt Ulm im 2. Weltkrieg zu 80% zerstört wurde, traf bloss ein Blindgänger den Chor, wäre er explodiert, sähe die Kirche heute wohl anders aus. Hatte die damalige Geistlichkeit doch einen Draht nach ganz oben?  Im letzten Jahr wurde eine neue Chororgel von der Firma Kuhn in Wädenswil eingeweiht. Der Organist gab auf diesem nicht nur optisch schönen Instrument extra für uns eine weitere Kostprobe seines Könnens. Am Nachmittag folgte eine weitere Führung durch die „muss man gesehen haben Orte“ wie Münsterplatz, Rathaus, Donauwall und Fischerquartier.  
Ulm war ab dem 14. bis 16. Jahrhundert bekannt für sein Barchent (Mischung aus Baumwolle und Leinen, ergibt eine flauschige Oberfläche). Die Stoffe wurden mittels Zillen auf der Donau bis Wien oder Budapest transportiert. Zillen sind einfache leichte Holzboote mit geringem Tiefgang, mit Moos abgedichtet und so konstruiert, dass man sie am Zielort wieder demontieren und das Holz gleich mit verkaufen konnte. Denn ein Rücktransport donauaufwärts wäre viel zu mühsam gewesen und hätte sich auch nicht gelohnt. Recycling ist also keine Erfindung aus unserer Zeit. Nicht immer waren die alten Ulmer aber weitsichtig. Im heute malerischen Fischer- und Gerberviertel stank es bestialisch. Es wurden nicht nur alle Abfälle in die grosse und kleine Blau geworfen, sondern auch die damaligen Methoden zur Fell- und Lederbehandlung trugen dazu bei, dass das Flüsschen Blau wohl eher Braun hätte heissen müssen. Wenn man heute die Wohnungen mit angrenzendem Strandbad sieht, kann man sich das kaum mehr vorstellen. Nun genug mit Geschichte und Kultur, jede*r schaut selber weiter, Fak-Nachtessen und Ausgang bis zum Morgengrauen.

Freitag:
Fast bei Morgengrauen, Verschiebung nach Augsburg, die Stadt, die ein paar von uns bereits 2013 bei einer Kirchgemeindereise gesehen hatten. Wir besuchten wieder die Fuggerei, die wohl erste Sozialwohnungssiedlung der Welt. Jakob Fugger, der Gründer, war ein erfolgreicher Unternehmer, ebenfalls in der Barchentherstellung, erkannte dann aber dazumal schon, dass Geld schieben und verleihen viel einfacher und einträglicher ist. Seine Kunden waren u.a. auch Könige und Kaiser die ihre Kriege finanzieren mussten und dazu das Fuggersche Geld sehr gern annahmen. Als Gegenleistung sicherte sich die Familie Fugger Lizenzen für alles Mögliche, die Herrscher vergeben konnten und liessen sich auch mit Wappen und Titeln bestechen: Eitelkeit war schon immer teuer. So ganz nebenher machte es sich auch noch gut wenn man sich etwas sozial zeigt, indem man für die Allgemeinheit etwas springen lässt. Zumal ärmere Bürger die in trockenen Wohnungen lebten, weniger krank, daher für die Obrigkeit auch einträglicher waren und erst noch kaum Ärger machten. Ganz nach dem Motto, lieber gesund und reich, was haben die Armen davon, wenn sie krank sind. Am Nachmittag chauffierte uns Kurt der Buspilot nach Giengen ins Steiff Museum. Im Steiff-Silo sind nicht tonnenweise Ausschuss Bären aufgeschichtet, sondern eine professionelle Show mit viel Technik installiert. Auf einer Liftplattform wird der Besucher sowohl in die Wolken, wie auch in „down under the sea“ (Film Nemo) entführt. Ins Auge stechen vor allem die grossen Exponate, die wohl Einzelstücke und kaum in Privatbesitz anzutreffen sind. Am Ende des Rundgangs wird in Videos und realen Schritten die Herstellung der Plüschtiere gezeigt. Konzipiert ist das Ganze eher für Leute die 3 - 4 Jahre jünger sind als wir, aber trotzdem schön anzuschauen. Nach dem Abendessen im Hotel Maritim gings ins Stadttheater, ein moderner Betonbau mit einer riesigen Wandelhalle rund ums Auditorium. Doppeltreppen führen hinauf zu den oberen Plätzen. Was wollten die Erbauer wohl separieren? Corona, Aus- oder Inländer? Pfui, keine rassistischen Anspielungen s'il vous plait. Der Saal, mit dunklen Paneelen vertäfert, müsste wohl Ulmenholz sein, der schwere dunkelrote Samtvorhang, so ein richtiger wuchtiger Theatersaal. Und das Stück? Ah ja, das auch noch. Kurzfassung: etwas langfädige Dia- und Triloge, brilliant gespielt, mit viel Aktionismus und relativ wenig Handlung, dazu zeitweise live Klavierbegleitung. Statt „Das Sparschwein“ könnte das Stück auch heissen, „Viel Lärm um nichts“.

Samstag:
Am Samstag besuchten wir Blaubeuren mit seinem Kloster und dem nicht weniger berühmten Blautopf, einem grösseren Weiher aus dem der gleichnamige Fluss entspringt. Seine intensive Farbe verdankt er dem Karstgestein durch das das Wasser in grossem Umkreis fliesst und dabei mit Kalk angereichert wird. Dieser absorbiert offenbar die roten und gelben Farbanteile des Sonnenlichts stärker und lässt das Wasser daher blau erscheinen. Nun geleitete uns die Fremdenführerin - die Reise hat uns demnach in die Fremde geführt - zum nächsten Wahrzeichen Blaubeurens. Das ursprüngliche Kloster stammt aus dem 11. JH. mit einer ursprünglich romanischen Kirche. Nach einem verheerenden Brand im 15. JH. wurde das Kloster mit Hilfe von blaublütigen Sponsoren, auch sie wollten sich ihr Seelenheil absichern, neu aufgebaut und mutierte in Richtung des gotischen Baustils. Gut zu erkennen ist das im Hochaltar und am Kreuzgang. Wie schon in Ulm gab es auch in Blaubeuren Gerber die ihr Handwerk betrieben. Mit derselben umweltfreundlichen Technik wie weiter unten an der Blau, bearbeiteten sie ihre Felle und versauten dabei den Fluss, sodass ihre Kollegen in Ulm ihm nur noch den Rest zu geben brauchten. Nach der Rückkehr blieb noch Zeit sich in Ulm weiter kulturell zu bereichern oder sich von so vielen historischen Steinhaufen in einem Strassenkaffee zu erholen. Zum Abendessen fuhr uns Kurt über die Donau nach Bayern. Kein Tippfehler, Neu Ulm liegt in Bayern, Ulm in Baden-Württemberg.
Weiter gings durch ein Industriegebiet aus der Stadt hinaus, über eine schmale Brücke in einen mit Ulmen bestückten Wald. Dass man in einem Bus an engen Stellen zusammenrücken muss ist normal, war aber nichts dagegen was dann auf uns zu kam. Die Strasse wurde immer schmaler, die Äste der Bäume dichter, hingen tiefer und peitschten über das Busdach. Dahinter kann nur noch ein Hexenhäuschen mit entsprechendem Inhalt kommen. Aber wie soll eine Hexe vierzig meist ü-60 Kinder mästen und verspeisen? Quatsch mit Anlauf. Es tauchte ein grosser Biergarten mit Restaurant auf, mitten im Wald. Das angebotene reichhaltige Buffet begeisterte alle.

Sonntag:
Nach dem ordnungsgemässen Verladen der Koffer, - Kurt hatte da wie immer alles im Griff - fuhr der Bus nicht nur über Autobahnen, sondern auch durch wild romantische Schluchten mit einem Bad Gitzenbach, über die Franzosenschlucht, die hatten da wohl auch einmal ihr Unwesen getrieben, Richtung Burg Hohenzollern. Schon von Ferne grüsst die imposante Burg vom Zollerberg herab.
Nach der Überwindung einer kleinen Tremola standen wir vor der Zugbrücke. Ohne Online-Ticket mit QR-Code geht da gar nichts. Dass die Verteidiger im dreissigjährigen Krieg nicht schon drauf gekommen sind! Hohenzollern ist eine junge Burg, wurde sie doch nach jahrhundertelangem Zerfall erst Mitte des 19. JH. wieder aufgebaut. Die verschiedenen Prinzen und Könige bewohnten ihr Wochenendschlösschen nur temporär. In den stilvoll ausgestatteten Räumen finden sich keine Betten. Die Adligen wollten sich offenbar mit ihren eigenen Milben und Bettwanzen umgeben und brachten ihre Liegen jeweils mit. Das auf der Burg servierte Mittagessen stand jenen der damaligen Glückspostfiguren kaum nach.
Zum Ende kommt bekanntlich der Schluss und den bewältigte der Chauffeur der Firma Gautschi, wie schon die ganzen fünf Tage über, von und bis Muhen, mit Bravour. Nach den Resumées der beiden Herberts, mit Dank an alle Beteiligten und dem Applaus der Teilnehmenden, fehlte nur noch die Wunderkerzen-Glacétorten-Parade à la Traumschiff.

 Eugen Eichenberger